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Blick für Gefahren trainieren, die Straße lesen

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Blick für Gefahren trainieren, die Straße lesen

Schön, dass die Straßenbauer mittlerweile offiziell angehalten sind, Fallen für Motorradfahrende zu beseitigen. Trotzdem sind wir gut beraten, den eigenen Blick für Gefahren gezielt zu trainieren. "Die Straße lesen" heißt die Devise.


"Die Straße lesen" heißt die Devise. Das bedeutet allerdings nicht, dass fortan unsere Augen wie hypnotisiert die Straßenoberfläche scannen sollen, um ja kein Krümelchen zu übersehen. Im Gegenteil. Denn noch immer gilt: Die letzten zehn Meter vor dem Vorderrad sind schon gefahren. Was heißt das? Alltägliches Beispiel: Wir brummen mit 50 km/h durch die Gegend, legen dabei knapp 15 Meter pro Sekunde zurück. Diese landläufig "Schrecksekunde" genannte Zeit brauchen wir schon mal zum Reagieren auf das, was wir gerade wahrgenommen haben. Dann heißt es Ausweichen oder Bremsen, was auch noch mal zwischen fünf und zehn Metern benötigt. Taucht also fünf Meter vor uns unter dem voraus-fahrenden Auto plötzlich das Schlagloch auf, ballern wir mitten durch, denn reagieren war nicht mehr möglich.
Vorausschauend fahren, rechtzeitig wahrnehmen

Gleiches gilt für jedwedes Hindernis oder gripfreie Stellen wie Ölspuren, Sandflecken und dergleichen. Nur wenn wir sie rechtzeitig wahrnehmen, ist eine halbwegs adäquate Reaktion überhaupt möglich. Vorausschauendes Fahren heißt das nicht umsonst in der Fahrschule, wir nennen es aktive, dynamische Blickführung. Die muss schon bei zahmen 50 km/h um die 25 Meter weit vorausreichen, um entspannt reagieren und notfalls anhalten zu können. Bei 70 km/h sind es dann gut 40 Meter, bei 100 km/h schon an die 70 Meter Anhalteweg.

Das Dilemma: Auf diese Distanz lassen sich fiese Fallen im Belag oder Verlauf der Straße oftmals noch nicht erkennen. Wir tun also gut daran, im Zweifel nicht nur sehr wachsam unterwegs zu sein, sondern schlicht präventiv Tempo rauszunehmen. Allerdings, und das ist die gute Nachricht, reicht es meist, beim Anblick von Rollsplitt, Ölspur, flächendeckenden Bitumenferkeleien, Kuhdung oder Schlammspuren vom Gas zu gehen und gezielt auszuweichen. Was natürlich auch nur geht, wenn man nicht viel zu schnell war und das mit der Blickführung funktioniert.
Wahrnehmung für Anzeichen schärfen

Dazu sollte man auch die Wahrnehmung für das schärfen, was uns gefährlich werden kann. Wo muss ich langsam machen, wo kann ich einfach gerade drüber rollen? Und welche Anzeichen weisen mich auf drohendes Ungemach hin? Selektive Wahrnehmung und Blickführung lassen sich trainieren. Anhand von Beispielen kann man sich auch zusätzlich mental gut auf viele Situationen vorbereiten:

Rollsplitt etwa erkennen wir im Vorfeld nicht nur daran, dass irgendwo ein Schild steht. Die Spuren davon sehen wir auf der Gegenfahrbahn, bevor in unserer Richtung auch die Steinchen liegen.
Wenn es geregnet hat und die Fahrbahn schon überall trocken ist, sollten wir nicht überrascht sein, wenn die nächste schattige Kurve doch noch feucht ist.
Oder die Gegenfahrbahn ist dreckig, unsere hingegen schön sauber. Natürlich kann ich nun volle Brause in die nächste Kurve stechen, darf mich dann aber nicht wundern, wenn dort plötzlich der Schmodder auch auf meiner Seite liegt – weil in dieser Kurve die Lastwagen mit ihren dreckigen Reifen aus der Baustellenausfahrt kommen.
Spurrinnen sind besonders schwer zu sehen und können richtig fies sein. Hinweise darauf sollte man ernst nehmen. Bisweilen finden sich vollkommen unverständlich erscheinende Tempolimit-Schilder, sogar auf der Autobahn, die genau aus diesem Grund dort stehen. Hier hilft nicht nur langsamer werden, man sollte auch darauf vorbereitet sein, dass die Maschine plötzlich aus der Spur läuft und energisch auf Kurs gehalten werden muss.

Nachsicht mit Anfängern

Aktive dynamische Blickführung hilft nicht nur ungemein beim Kurvenfahren, sondern auch beim Umgang mit Hindernissen, denen es auszuweichen gilt. Ob Schlagloch oder Ölspur: Wo ich nicht gerade drüberrollen kann oder will – übrigens am besten mit gezogener Kupplung – sondern drumherum oder daran entlang fahren möchte, davon muss ich den Blick weg richten. Fixiere ich Loch, Ölspur oder was auch immer, werde ich es treffen. Ich muss in die Richtung schauen, in die ich fahren will. Dazu gehört dann noch ein gezielter Lenkimpuls in die gewünschte Richtung und, wie stets, ein nicht zu hohes Tempo.

Nachsicht sollten wir gegenüber ungeübten Zeitgenossen auf zwei Rädern haben, braucht es doch eine ganze Weile, bis man genug Erfahrung hat, die Zeichen der Straße richtig lesen und das eigene Handeln darauf einstellen zu können. Bis dahin werden diese wohl – hoffentlich – etwas langsamer unterwegs sein.

[ eingetragen am: 2022-04-07 20:08:42 ] [ Quelle: Motorrad Online ]